Der Völkerbund
Vorläufer der UNOEine erste Karikatur, die sich mit dem Völkerbund befasst, stammt noch von 1931. Schon am 14. Oktober 1933 erklärte Hitler den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund. Die von Goebbels gelenkte deutsche Presse verfolgte danach mit Spott und Häme den allmählichen Zerfall des Völkerbundes, nicht zuletzt während des italienischen Angriffskriegs gegen Abessinien.
Emil Kneiß sah sich auch hier gezwungen, seine Karikaturen darauf abzustimmen, wollte er sich nicht um die Möglichkeit bringen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Auch in Deutschland spürte man 1931 die Folgen der Weltwirtschaftskrise, die vom Börsenkrach in den USA 1929 ausgegangen war. Vom Völkerbund hatte man sich Frieden und einen gewissen Wohlstand erhofft, der nun wieder in Frage gestellt war.
Zum Völkerbund der Michl sagt:
Woaßt ja, was mir für Schmerz’n plagt –
’s Geld is gar, die Arbat rar,
Und überall gibt’s zuviel War‘!
Was soll i tun, was ratst mir du,
Red jetzt amal, i horch gern zu,
Seit zwölf Jahr’n wart i ja aufs Heil
Das man verheißt von dir allweil.“
Es ist sicher eine Kneiß-Idee, wenn der deutsche Michl und der bayerische Löwe hier darauf setzen, die Streitigkeiten innerhalb des Völkerbundes in einer Sitzung beim Salvator zu schlichten. Wenn der „Japs“ dem „Chinamann“ das Land „Dschehol“ stiehlt, so wird damit auf die Anfang 1933 erfolgte Eroberung der Stadt Jehol und der Provinz Rehe, nördlich der großen Mauer, angespielt. Damit erweiterte Japan die bereits eroberte Mandschurei. Aus der Tasche des „Polen“ ragt die ‚Westerplatte‘, um die es am 6. März 1933 eine erneute Affäre gegeben hatte. Die USA, durch Uncle Sam neben der Kellnerin dargestellt, waren übrigens kein Mitglied des Völkerbundes.
„Die Drescher von Genf“ bezogen sich auf die im Oktober 1933 in Genf tagende „Internationale Abrüstungskonferenz“. Die französische Wünsche fanden dort nicht die Zustimmung der englischen Regierung, weshalb der „Franzmann“ den „Nachbarsmo auf d’Zeha trifft“. Der Soldat „nebenan“ hinter der Wand symbolisiert die Sowjetunion, deren große Truppenstärke nicht in die Verhandlungen miteinbezogen wurde.
Am 14. Oktober erklärte Hitler den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund.
Japan, hier das hilflose China davonziehend, hatte den Völkerbund bereits im März 1933 verlassen; Hitler-Deutschland folgte am 14.10.1933. Die USA, zwar kein Mitglied des Völkerbundes, aber mit Beobachterstatus, sind unentschlossen; im Hinterzimmer reibt sich Russland (R.) die Hände.
Die Gebäudeinschrift: „Völkerbund u. Versailler Vertragsversicherung A.G.“ bezieht sich auf die Tatsache, dass Artikel 1-24 des Versailler Vertrags die Einrichtung des Völkerbundes betraf.
Italien war 1920 eines der Gründungsmitglieder des Völkerbundes und dann ständiges Mitglied im Völkerbundsrat, der heute etwa dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen entsprechen würde. Mussolini regierte in Italien ab 1922 als Ministerpräsident, ab 1927 mehr und mehr mit diktatorischen Vollmachten. Ein echte Annäherung an die nationalsozialistische Regierung Hitlers erfolgte erst mit Beginn des Jahres 1936. Dies erklärt, dass Mussolini auf dieser Karikatur vom Dezember 1933 als unsympatisches, maulaufreissendes „Schwarzhemd“ dargestellt werden darf, vor dessen Geschrei Polen, Tschechen und Serben nach hinten fallen. Der „Völkerbund“ fällt in die Arme von Marianne, dem Symbol Frankreichs.
Bereits Ende 1934 hatte Mussolini seine Generäle angewiesen, einen Krieg zur Eroberung Abbessiniens vorzubereiten. England und Frankreich versuchten, durch Zugeständnisse (Hoare-Laval-Pakt) Mussolini davon abzuhalten. Darum zerren auf der Karikatur England und Frankreich auf der einen, Italien auf der anderen Seite am Völkerbundes-Friedensengel.
Dieses Bild ist auch insoweit interessant, als es das Völkerbundspalais zeigt. In den 1929 begonnenen Bau konnte 1933 das Sekretariat des Völkerbundes einziehen; endgültig fertiggestellt war es erst 1936.
Die vom Völkerbund eher halbherzig verhängten Wirtschaftssanktionen (Waffen- und Ölembargo) gegen Italien blieben weitgehend wirkungslos.
Mit der „Völkerbundsschaukel“ gab Kneiß die Situation treffend wieder: Laval (F) bemühte sich um Sanktionen gegen Italien, worin er aber von den Engländern (Eden) nicht voll unterstützt wurde. Österreich und Ungarn (links) lehnten die Sanktionen ab; Griechenland und Abessinien waren natürlich dafür. Am 2. Oktober 1935 erklärte Italien Äthiopien den Krieg; Griechenland fürchtete die Großmachtpläne Mussolinis, da dieser bereits 1923 nach dem Korfu-Zwischenfall die Insel bombardiert und anschließend einen Monat lang besetzt hatte.
Für die „Völkerbundschaukel“ hatte Kneiß zwei Bilder gezeichnet; dieses hier wurde nicht mehr abgedruckt. War man sich nicht sicher, ob man das „siegreiche“ Italien so positiv darstellen sollte? Die Annäherung Musolinis an Hitler geschah erst Anfang 1936.
Kneiß zeichnete den Völkerbund als Ringelspiel. Das Dach des Karussells gibt die Wurzeln des Völkerbundes an: die 14 Punkte von Wilson, den Versailler Vertrag, den Locarno-Pakt. Nur noch schwach erkennbar ist das „Selbstbestimmungsrecht der Nationen“, was angesichts des (fast schon entschiedenen) Abbessinienkriegs verständlich ist. Von den Völkerbundsmitgliedern sind diesmal Russland, England und Äthiopien gegen Italien, Frankreich(!), Tschechoslowakei und Ungarn sind dafür. Nur durch massiven Einsatz von Giftgas und Luftangriffe, die auch Zivilisten nicht verschonten, konnten die italienischen Generäle die äthiopischen Truppen bezwingen; am 5. Mai 1936 zog Marschall Badoglio in Addis Abebba ein.
An diesem Tag erklärte Mussolini den Abessinienkrieg für beendet und verkündete die Annexion Äthiopiens.
Der „schwerhörige“ Völkerbund ist laut der hier übertreibenden Karikatur noch mit der Untersuchung beschäftigt, ob Italien sich mit Abessinien im Kriegszustand befindet. Der eigentliche Grund für die zögerliche Haltung des Völkerbundes war aber, dass man Mussolini, der den Schutz Österreichs garantiert hatte, nicht in die Arme Hitlers treiben wollte. Auf dem Öfchen steht eine Kanne mit der Aufschrift „Kollektive Sicherheit“!
Am 14. Juni 1936 erschien diese Karikatur einer Verhandlung im Völkerbund; am 4. Juli 1936 hob dieser seine Sanktionen gegen Italien auf, das trotzdem am 11. Dezember 1937 seinen Austritt aus dem Völkerbund erklärte. Gegen die von Hitler-Deutschland betriebene Aufrüstung war der Völkerbund machtlos; ebenso gegen die Annektion Österreichs im Frühjahr 1938.