Stalin
als Ziel der Propaganda
Waren vor dem Januar 1933 die „Kommunisten“ die Erzfeinde der Nationalsozialisten, so hielt sich Hitler zunächst gegenüber der Sowjetunion etwas zurück. Er verlängerte schon am 5. Mai 1933 den 1926 abgeschlossenen Friedensvertrag. Die Propaganda und damit die Karikaturen richteten sich erst mit Beginn der Stalinschen „Säuberungen“ 1936 deutlich gegen die „Bolschewiken“ und deren „Führer“ Stalin.
Bündnis Frankreichs mit Rußland 1934
Am 2. Mai 1935 wurde ein sowjetisch-französische Beistandspakt zwischen der Republik Frankreich und der Sowjetunion geschlossen. Die Karikatur stammt jedoch von Ende Mai 1934; begannen da bereits die Verhandlungen über den ein Jahr später geschlossenen Pakt?
Marianne steckt den Kopf in den Bärenrachen; der Zirkusdirektor und das Schild „Direktion Kapitaleles“ deuten darauf hin, dass man den „Jüdischen Kapitalismus“ als treibendes Element zu erklären versucht.
1934 Beitritt der Sowjetunion zum Völkerbund
Russland war einer der letzten Staaten, die dem Völkerbund beitraten. Als dies 1934 geschah, hatte Hitler ja bereits 1933 den Austritt des Deutschen Reiches aus dem Völkerbund erklärt. Wilhelm Tell auf dieser Karikatur ist darum Hitler-Deutschland, das sich um den neuen bolschewistischen Hut nicht kümmert. Der Satzteil: „Wenn auch der Landvogt will, dass wir ihn grüßen“ ist hier zum Schillerschen Original hinzugedichtet.
Frankreich als der Landvogt blickt missbilligend auf Tell (Deutschland); im Hintergrund stehen England, USA (nur beobachtendes Mitglied) und Italien (noch Mitglied).
1936: Gespräch in Moskau zwischen Stalin und „Iwan“
Stalin: „Nun, Genosse Iwan, was sagst du zu unserm neuen großen Rüstungsplan?“
Iwan: „Verzeihe mir, Genosse Stalin, aber wäre es nicht besser, wenn wir von den 14 Milliarden für die Rüstungen wenigstens 4 Milliarden zur Beschaffung von Brot verwenden würden?“
Eine solche Karikatur über die sowjetische Aufrüstung sollte von den gleichzeitigen verstärkten Rüstungsausgaben in Hitlerdeutschland ablenken.
1936 Wettmäh’n in Bayern
In Bayern tritt man dann und wann
Voll Freud zu einem Wettmäh’n an
Wer hier die schönsten Mahden legt,
Am Schluss den Lorbeer davon trägt.
1936 „Wettmäh’n“ tut jetzt Herr Stalin auch
Wettmäh’n tut jetzt Herr Stalin auch,
So wie’s in Sowjetrußland Brauch,
Die Köpfe rings um sich herum,
Macht seine Widersacher stumm!
Am 19. August 1936 begann vor einem Moskauer Militärtribunal der Schauprozess gegen Grigori Sinowjew und Lew Kamenew, die seit der Oktoberrevolution mit Stalin zusammen das sogenannte Triumvirat gebildet hatten. Mit Ihrer Hilfe gelang es Stalin 1927, Trotzki aus der Partei auszuschließen. Gleichwohl wurden beide nun nach fünf Tagen zum Tode verurteilt. Dieser Prozess bildete den Auftakt zu den sogenannten „Stalinschen Säuberungen“, die bis 1938 anhielten.
Der Mann mit langem schwarzem Haar und einer Brille in der rechten unteren Ecke soll möglicherweise Trotzki darstellen, der sich 1936 noch in Norwegen befand; danach wurde er in Mexiko aufgenommen, wo er 1940 von einem Häscher Stalins ermordet wurde.
Stalin und Litwinow sehen bei der Selbstzerfleischung der führenden Kader zu
Diese am 7. November 1936 abgedruckte Karikatur verdient ein sorgfältiges Studium. Zunächst werden Stalin und sein Außenminister Litwinow als Beobachter einer Szene dargestellt, bei der sich die führenden Mitglieder der Partei gegenseitig mit Hammer und Sichel (!) zu ermorden versuchen. Ganz links sollen Pieck (Wilhelm Pieck) und Münzenberg (Willi Münzenberg) in das Gefängnis der Tscheka (1936 eigentlich dann NKWD) eingeliefert werden. Pieck überstand die Stalinschen Säuberungen; Münzenberg, ein kommunistischer deutscher Verleger, vermied nach einer Vorladung vor die Internationale Kontroll-Kommission (IKK; von Stalin eingesetzt) jede weitere Reise nach Moskau.
Namentlich gekennzeichnet werden ferner Michail Tomsky, ein Gewerkschaftsfunktionär, der bis zu einem Mitglied des Politbüros aufgestiegen war. Angesichts der drohenden Verhaftung durch das NKWD erschoss er sich am 22. August 1936 in Bolschewo bei Moskau.
Nikolai Jeschow war als Geheimdienstchef von 1936 bis 1938 für die Umsetzung des von Stalin angeordneten „Großen Terrors“ verantwortlich. Ab 1938 geriet er bei Stalin in Ungnade und wurde 1940 nach einem Prozess erschossen. Auf der Karikatur versucht er mit einer Sichel eines Dimitroff habhaft zu werden, der seinerseits einen Hammer in Händen hält.
Georgi Dimitrow, ein bulgarischer Kommunist, war den Lesern der Zeitung eventuell näher bekannt, da er zu den Angeklagten im Reichstagsbrandprozess 1933 gehörte. Dimitrow verstand es, bei diesem Prozess als Angeklagter gleichwohl die als Zeugen geladenen Hermann Göring und Joseph Goebbels in die Rolle der Angeklagten zu drängen. Der IV. Strafsenat des Reichsgerichts, vor dem der Prozess stattfand, sprach Dimitrow und weitere bulgarische Kommunisten frei. 1936 geriet Dimitrow zwar in das Visier von Jeschow, überstand jedoch die „Säuberungen“. 1946 wurde Dimitrow Ministerpräsident der „Volksrepublik Bulgarien“.
1937 Stalin erschießt einen Militär, vermutlich Tuchatschewski
Da die Karikatur am 18. Juni 1937 abgedruckt wurde, ist anzunehmen, dass damit, auch ohne Nennung eines Namens, die Exekution des Sowjetmarschalls Michail Tuchatschewski geschildert wird. Er wurde am 11. Juni 1937 in einem eintägigen Prozess zum Tode verurteilt und am nächsten Tag durch Genickschuss hingerichtet. Ihm wurde unter anderem „Spionage für eine fremde Macht“ (Deutsches Reich) vorgeworfen, die er unter Anwendung von Folter „gestand“.
1938 Der französische Außenminister plädiert für einen Pakt mit Russland
Der französische Außenminister Yvon Delbos plädiert bei „Marianne“ für einen Pakt mit Russland, die aber auf die Mordprozesse in Moskau hinweist. Sie werden hier deutlich genannt; der dritte Schauprozess ging gegen die „21 Trotzkisten“, zu denen neben Krestinski auch Bucharin und Rykow zählten.
1938 Anspielung auf die meist durch Folter erpressten Geständnisse
Andrej Wyschinksi, er dürfte mit dem Mann an der Querseite des Richtertisches gemeint sein, war von 1935 bis 1939 der Generalstaatsanwalt der Sowjetunion. In enger Absprache mit Stalin entwarf er die Drehbücher für die Schauprozesse, wobei die Angeklagten meist durch schwere Folter zu ihren Aussagen gebracht wurden.
Der „letzte Staatsanwalt“ wird Stalin präsentiert
In dieser am 28. Mai 1938 abgedruckten Karikatur wird thematisiert, dass Stalin im Frühsommer 1938 begann, den bisherigen Geheimdienstchef Nikolai Jeschow mehr und mehr zu entmachten, um aber allmählich den später genauso berüchtigten Lawrenti Beria zu installieren. Im Mai 1938 wurden zwei Stellvertreter Jeschows, Lew Mironow und Leonid Sakowski, verhaftet. Sie waren allerdings nicht Staatsanwälte, wie die Karikatur vermeint, sondern Jeschows engste Mitarbeiter im NKWD.