RH_88-89-098c
Ritter Kunz

Herr Ritter Kunz von Schreckenstein
Und Ritter Kuno Fürchterlich,
Die schlugen jeden Feind allein
Und liebten selber zärtlich sich.

(Drum muß der Leser hier erfahren,
Daß Kunz und Kuno Freunde waren.)

Ritter Kuno

Nun hatte Kunz von Schreckenstein —
Und dieses ist hier wichtig —
In einer festen Burg am Rhein
’nen Onkel — so weitschichtig.

Man denke sich nun ja nicht hier:
I nun, was int’ressiert das mir!
Denn eines Tag’s sagt Kunz zum Kuno:
„Sieh‘ hier ein Telegramm vom Bruno!“

 

(Man lese mit, dann wird es offenbar,
Daß Bruno der besagte Onkel war.)

Ritter Bruno (vom Rhein)
Kunz und Kuno vor dem Telegramm

DELEGRAAM.

Hast du jetzo nich böscheftigung
Dann o lieber Nöffe Kunz
Kom doch einmal zur bäkreftigung
Untzeres Värwandtschaftzbung
Und pake schnell und reise fort
Bezalt ist schon die Rückantwort!
                                   Bruno

 

Nun, Kuno, du kommst doch mit mir
Ansonsten macht’s mir kein Plaisir!“
Herr Kuno liest, dann sagt er endlich:
„Mein Freund, das ist doch selbstverständlich!“

Kunz und Kuno fahren auf dem Hochrad Richtung Rhein

Und wie man hier im Bild erläutert sieht,
Das Ritterpaar alsbald zum Rheine zieht.
Sie fahren kunstvoll ihr Vehikel,
Mitunter wohl auch Monocycle.

Sechs Tage fahren so im Ganzen
Die Ritter fort mit ihren Lanzen;
Es thät die Sonne freundlich blitzen,
Die beiden Ritter thäten schwitzen.

Doch endlich sehen sie die Zinken
Von Bruno’s Burg von ferne blinken,
Die beiden Ritter treten schnöller —
Die Tochter Bruno’s winkt vom Söller.

Brunhilde war sie zubenannt,
Ob ihrer Schönheit weit bekannt.
Ihr Anblick thät Herrn Kuno ganz berücken,
In Lieb‘ entbrennend ruft er voll Entzücken:

„Beim heiligen Sebastian,
Die muß ich noch zum Weibe han!“

Die Tochter Brunos winkt vom Söller

Da spricht auch schon der Kunz zum Kuno:
„Mein Freund, o weh, was willst du thun — oh?! —
Ich schwör’s beim heil’gen Ladislaus:
Brunhilden führe ich nach Haus!“

Ein Weib stört oft die Einigkeit,
Und dies ist keine Kleinigkeit:
Wie leicht erschießt so im Duell
Der Freund den Freund und dieses schnell!
Mir graut schon, denk ich d’ran — ich muß mich schonen,
Sprecht ihr für mich, ihr Illustrationen!

Die Ritter fahren aufeinander zu ...
Der gewaltige Zusammenstoß
Die Kontrahenten liegen am Boden
Kunz und Kuno gehen mit den Schwertern aufeinander los
Der Schwerterkampf gelingt nicht recht
Die Beiden gehen zum Ringkampf über
Kuno packt Kunz in der Taille
Kunz hat Kuno niedergerungen

Doch ganz umsonst ist beider heißes Ringen:
Kunz kann nicht Kuno, der nicht Kunz bezwingen!
Sie reichen sich die Eisenhand
Und rufen diesen Schwur in’s Land:

„Mein Freund, ich liebe, achte dich,
Auf diese Weise geht es nich!
Wir müssen friedlich uns vergleichen
Und wollen also dies erreichen:

Wer eher oben von uns Zweien,
Der soll das holde Mädchen freien!“

Gesagt, gethan und aufgesessen,
Beginnt ein mörderisches Rasen;
Mit vorgebeugtem Leibe,
Hinan zum schönsten Weibe,
So rasen beide Ritter
Dahin wie Ungewitter.

Hinan, hinan zur Schloß-Zugbrücke  —
Doch hier — welch‘ schauderhafte Lücke! —
Laut wird Brunhildens Schrei gehört —
Die Ritter sind im letzten Spurt!

Kunz und Kuno radeln verbissen bergwärts

Zu spät seh’n sie die Brücke aufgezogen,
kein Stoppen hilft da mehr — in hohem Bogen,
Als ob ein böser Geist sie riefe,
Saust Kunz, saust Kuno in die Tiefe.
Und hinter ihnen sie ohnmächtig —
O Schicksal, das ist niederträchtig!

Kunz und Kuno stürzen in den Burggraben

Doch Bruno spricht — schon hoch an Jahren:
„Das kommt von dem verfluchten Fahren!“