Berlin

Spuren in Berlin hat Kneiß zwar nicht hinterlassen, aber in seinem Werk kommt des öfteren Berlin vor. Schließlich war er selbst von 1889 bis 1891 dort, um zu studieren.

Ab dem 1. Januar 1928 zeichnete Kneiß für den „Bayerischen Zeitungsblock“; von München aus gab es immer wieder Meinungsverschiedenheiten mit der Regierung in Berlin. Damit befasst sich der zweite Teil des Projekts, allerdings nur bis 1932. Danach verbot sich jegliche Kritik an Anordnungen aus Berlin.

Polizeidiener und Betrunkener: Ick mache man blos een bisken Jebrauch von die öffentlichen Einrichtungen!
Haltestelle

Polizeidiener: „Kerl, was machen Sie da?“

Betrunkener: „Na, wat werd‘ ick machen? – Ick mache man blos een bisken Jebrauch von die öffentlichen Einrichtungen!“

Zumindest den Betrunkenen lässt Emil im Berliner Dialekt sprechen.

Ein Radfahrer-Corso in Berlin am 26. Juni 1892 (Vor dem Cafe Bauer)
Ein Blick auf das Café Bauer von 1886
Zu Emils Erinnerungen an Berlin gehörte auch sicher ein Besuch im legendären Café Bauer.

Ein Radfahrer-Corso auf der Straße „Unter den Linden“ vor dem Café Bauer. An der Spitze ein Fahnenträger, was für einen Hochradfahrer eine zusätzliche Schwierigkeit darstellte. Die Herren des paradierenden Radfahrclubs trugen eine einheitliche Art von Uniform, wie es für Berlin in diesen Zeiten nicht anders zu erwarten war.

Findig

Wie der Niederradfahrer Tretmüller vermittelst seines Zweirades in den Straßen der Residenz Berlin Dreirad fährt.

Diese Zeichnung lässt vermuten, dass, zumindest für einige Zeit, in Berlin die schnellen Niederräder nur als Dreiräder verwendet werden durften.

Wie ein Zweiradfahrer in den Straßen Berlins Dreirad fährt
1918 wurde der preußische König (und deutsche Kaiser) außer Landes gejagt

1918 wurde Wilhelm II., preussischer König und deutscher Kaiser, mit dem Ruf: “ … Nieda! Wir brauch’n keen Kaisa! Wir sin Republikaner!“ außer Landes gejagt.

Nur 10 Jahre später, im März 1928,  erregte der Besuch des afghanischen Königs Aman Ulla gewaltiges Aufsehen. Er wurde vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg persönlich abgeholt und erhielt u.a. die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Berlin. Diesmal hieß es: “ … Majestät, Ihr Besuch ehrt und freut uns außerordentlich!

Bild Aman Ullah wird vom Reichspräsidenten persönlich abgeholt
Bild Der Besuch des afghanischen Königs Aman Ulla in Berlin erregte großes Aufsehen
1929 war die Weltwirtschaftskrise in vollem Gang

Der Nikolaus aus Berlin

Der Nikolaus: „Siehst du kleiner Michel, wenn du nicht so ein gutes Kind wärst und ich nicht so ein braver Nikolaus, würdest du alle diese schönen Sachen nicht haben!“

Im Dezember 1929 war die Weltwirtschaftskrise auch schon in Deutschland zu verspüren; mit Steuern auf Bier und Tabak versuchte man, der Finanznot entgegen zu „steuern“.

Der bayerische Löwe ist erkältet und trägt um den Hals einen dicken Schal.

Gustav Böß, der zurückgetretene Oberbürgermeister von Berlin, will in Bayern mit-tarocken.

Es war keine „Erklärung der Staatsaufsicht über die Reichshauptstadt“, vielmehr hatte der preußische Landtag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „zur Klärung der Misswirtschaft in der Berliner Stadtverwaltung“ angeordnet. Der Grund hierfür war der Sklarek-Skandal, in den auch Gustav Böß, der Oberbürgermeister von Berlin, verwickelt war. Der Sklarek-Skandal spielte eine große Rolle in den politischen Auseinandersetzungen vor und während der Weltwirtschaftskrise.

In der Kneiß-Karikatur kommt von links der (damals bereits zurückgetretene) Oberbürgermeister von Berlin.
„Jestatten die Herren Bajuwaren erjebenste Anfrage: Könnte man sich da nich ooch en bischen an det Spiel beteilijen?“

„Schönen Dank, liaber Herr! Aber bei uns werd net berlinert, mir spiel’n liaba unsern alten ehrlichen boarischen Haferltarock, nacha kann uns nix passiern!“

Die sechs als Bajuwaren betitelten Herren zeichnet Kneiß als Stereotype, die er auch drei Jahre später im Bild „Luftschutz“ wiederholt. Bemerkenswert ist auch, dass Böß schon einen Trachtenjanker trägt – aber auch, dass Kneiß den Dackel unten links das Bein gegen den nicht willkommenen Mitspieler heben lässt.

Übrigens gibt es beim bayerischen Haferl-Tarock eine „Berliner“ Variante, auf die hier angespielt wird.

 

 

Berliner Vorstellung von den Bayern
(Nach der Vossischen Zeitung)

Anlass für diese Karikatur war ein Artikel in der Vossischen Zeitung aus der Feder des Kunstkritikers Karl Scheffler.

Emil Kneiß war diese Zeichnung so wichtig, dass er davon eine Wiedergabe in der Zeitung in seinen Nachlass gab.

 

 

Berliner Vorstellung von den Bayern

„Die wilden Bayern“, schreibt bei „Voß“
Herr Scheffler in Berlin
Sind fast wie ein Kanakenstamm
Dort in der Südsee drin.

Nach Negerdorf schaut’s bei uns aus,
Die Landestracht is wuid
Und wenn der Scheffler Recht hätt‘ g’habt,
Dann gäb es dieses Buid.

Der Pauli tät statt Zithern schlagn,
An Baumstamm malträtiern,
Da „Bua“, der tat beim Preißnbratn,
An Plattler absolviern.

Komm, lieber Scheffler, schnell zu uns,
I glaub, du siehst halt schlecht
Na zeig’n wir dir das wahre Bild,
Nicht preußisch, sondern echt.

„Herr Adler, wenn S‘ mit der schön‘ Landkarten net gleich morg’n was werd‘, macht uns des weiter nix aus. Aber daß S‘ auf die Kurbel am Baum net z’lang vergess’n, darum taat i halt recht schö bitten!“

Die „Reichsreform“ (November 1932) würde darin bestehen, dass Deutschland vor allem aus Preussen mit der Hauptstadt Berlin und den Provinzen Baden, Württemberg, Bayern und Sachsen bestünde. Die am Baum befindliche Ankurbelungs-Kurbel war für die am Boden darnieder liegende Wirtschaft gedacht, was zu diesem Zeitpunkt weitaus wichtiger gewesen wäre.

Am Boden liegt ein Plan zur "Neueinteilung" des Deutschen Reichs