*) Anmerkung: Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei bemerkt, daß der Verfasser nicht über Protzen, die bei der Artillerie mit Motorkraft fortbewegt werden sollen, sprechen will, sondern über Protzen, die ein Automobil besitzen.
Ich weiß sehr wohl, daß ich mich mit der Besprechung dieser Frage auf ein sehr heikles Gebiet begebe, denn kaum jemals waren die Ansichten der Klasseneinteilung maßgebenden (und maßtrinkenden! Anm: des Setzers) Persönlichkeiten über die Art und das Gebaren der Protzen im Sportleben so verschieden, wie gerade jetzt. Die Erfahrungen, die sich nach und nach ergeben haben, werden vielfach als nicht stichhaltig angesehen, trotzdem soll, hierauf fußend, eine Klasseneinteilung versucht werden. Im allgemeinen läßt sich behaupten, daß der sogenannte Universalprotz (homo bramarbas universalis), dessen Abart, der „Wagerlprotz“, besonders bekannt ist, auch im Auto das bleibt, was er zu Fuß, zu Pferd oder zu Wagen war und ist; doch wollen wir ihn als Automobilprotz uns näher betrachten und seine Arten kennzeichnen.
Der gewöhnliche Automobilprotz (Autobramarbas communis) sieht hauptsächlich darauf, daß sein Gefährt fein karossiert und lackiert ist. Er ist kein Schnellfahrer, weil ihn sonst nicht alles sehen und bewundern kann. Sein Chauffeur ist meist elegant livriert und muß auch im heißesten Hochsommer einen teuren Pelz tragen. Der Autoprotz steuert in der Stadt selbst und trägt selten Handschuhe, damit man seine Brillantringe sehen kann. Der Chauffeur hat aufzupassen, daß sein Herr keine Menschen zu schaden bringt. Gegenüber Gegenständen und Tieren wird keine Schonung geübt, denn „wir können’s ja bezahlen“. Ist etwas überfahren, läßt der Protz erst genügend Leute zusammenströmen und frägt alsdann laut: „Was kost‘ der Bettel?“
Er bezahlt ohne mit der Wimper zu zucken die höchsten Preise für überfahrene Hühner, Gänse, Enten, Schweine, Laternenpfosten, Hausecken, Gartenzäune usw. Er verdirbt dadurch die Leute, die überfahrbare Gegenstände besitzen, zum Schaden aller sonstigen Autler.
Der gewöhnliche Automobilprotz nährt sich zu Hause von Weißwürsten, Leberknödeln, Kalbshaxen, in Norddeutschland von Eisbein mit Sauerkohl und derartigen soliden Speisen. Er trinkt dazu ganz gern Bier in größeren Quantitäten. In den Restaurants jedoch genießt er nur getrüffelte Speisen, Kaviar, Austern usw. Als Getränk kommt dann nur französischer Sekt in Betracht; er braucht nicht gerade besser zu sein, als deutscher, wenn er nur teurer ist. Er bestellt beim Kellner die französisch verzeichneten Speisen nicht nach der ihm fremden Bezeichnung, sondern nach dem Preis, indem er ruft: „Heda, Garrsohn, das da, das wo die Portion 5 Mark kost‘, und dann diesen Schampanjörr, der wo die Flasche 18 Mark kost‘. Aberr plötzlich!“
Von der Mechanik des Automobils hat er keinen Dunst, er weiß höchstens, daß der Kühler vorn und der Auspufftopf hinten ist; deshalb spricht er auch prinzipiell nie über die Konstruktion, sondern nur über die Preise der Automobile.
Im großen ganzen ist der gewöhnliche Autoprotz harmlos und ungefährlich, er stirbt auch selten bei Unfällen, sondern häufiger in Karlsbad.
Der Schnelligkeitsprotz (Autobramarbas vorax kilometricus) ist meist von hagerer Gestalt, trägt stets einen ziemlich abgenutzten, möglichst abenteuerlichen Mantel, eine den ganzen Kopf einhüllende Staubkappe mit Ohrenschützen, und das neueste von einer Autobrille. Ein Auto unter 40PS ist für ihn ein Schubkarren und er wird nervös, wenn er eines zu sehen bekommt. Besteigen wird er ein solches „armseliges Fahrzeug“ nie. Der Schnelligkeitsprotz hält nicht viel auf ein schönes Aussehen seines Autos. Er bevorzugt eine alte Rennkarosserie, die einen recht unheimlichen Eindruck macht; dagegen widmet er dem Motor schon etwas mehr Sorgfalt und sucht fort und fort zu ergründen, wie er „noch mehr aus ihm herausholen“ könne. Bei Clubtouren fährt der Schnelligkeitsprotz stets vor; auch jedes vor ihm fahrende fremde Auto sucht er zu überholen, wenn es nicht anders geht an den Kurven, in die er blind hineinstürmt, wodurch er den anderen zum Abstoppen nötigt.
Der Schnelligkeitsprotz ist im allgemeinen mehr sich selbst gefährlich, als anderen, da er bei starkem Verkehr langsam fährt, um Aufsehen zu erregen. Auf freier Strecke hat er manche heftige Auseinandersetzungen mit Kilometersteinen, Alleebäumen, Brückengeländern usw. Infolgedessen und des häufig nötig werdenden plötzlichen Bremsens, ist sein Auto 8 bis 10 Monate in Reparatur. Während dieser Zeit ist der Schnelligkeitsprotz im Restaurant zu treffen, wo er auf die Automobil= und Pneumatikfabrikanten schimpft. Auch während sein Auto in Reparatur ist, fährt der Schnelligkeitsprotz täglich seine 1000 bis 2000 Kilometer, allerdings nur mit dem M — und. Laien schildert er „wahrheitsgetreu“, daß er durchschnittlich ein Tempo von 100 bis 120 Kilometer pro Stunde erreiche; der Polizei sucht er zu beweisen, daß er niemals schneller als im Zehnkilometertempo fährt.
Der Schnelligkeitsprotz wird selten alt; gewöhnlich wird er an einer Kurve durch die Zentrifugalkraft aus dem Diesseits ins Jenseits geschleudert. Er hinterläßt seinen Angehörigen eine Unfallversicherungsrente, eine Sammlung internationaler Polizeistrafquittungen und die Überreste eines Automobils.
Der Maschinenprotz (Autobramarbas hypertechnicus) bildet eigentlich die gefährlichste Sorte der Autoprotzen. Auf der Tour ist er imstande, selbst einen examinierten Bäckermeister nervös zu machen. Er horcht fortwährend den Motor ab, macht kritische Bemerkungen, arbeitet ununterbrochen mit Zündungs= und Gemischhebel, sowie mit dem Geschwindigkeitswechsel, bis er glücklich den Motor zum Versagen gebracht hat. Alsdann hält er den Reisegenossen einen großen Vortrag über Fehlkonstruktionen und arbeitet 2 bis 4 Stunden zappelnd, schwitzend und keuchend an der Maschine herum, jeder Bemerkung des Chauffeurs mit ein paar Donnerworten begegnend. Wenn er endlich erschöpft niedersinkt, richtet der Chauffeur den Wagen in 1 bis 2 Minuten wieder her, was der Autoprotz unfachmännisch bezeichnet. Nach zirka 10 Kilometern hat der Maschinenprotz den Wagen schon wieder geschickt zum Stillstand gebracht.
Er repariert alsdann, wieder 1 bis 2 Stunden, haut zuletzt wild mit dem Hammer herum, bis er in einen apathischen Zustand gerät und alles weitere dem Chauffeur überläßt, der dann den Wagen nebst Insassen meist unfachmännisch, aber glücklich nach Hause bringt. Unterwegs spricht der Maschinenprotz nur von dem „Gelump“, das fabriziert wird, über die Unfähigkeit der Ingenieure und von seinen eigenen großartigen Erfindungen. Wenn der Maschinenprotz in Gesellschaft kommt, reißt sich vom Mädchen der Knabe, von der Frau der Mann, vom Haasenstein der Vogler; alles rennet, rettet, flüchtet, um nicht neben ihm sitzen zu müssen. Er versteht es, ein Lamm in ein Raubtier zu verwandeln, den verschlafensten Magistratsbeamten kann er so zur Verzweiflung bringen, daß er sich kaum von einem unterlegenen Auto=Rennfahrer unterscheidet.
Er spricht solange von Zweitakt, Viertakt, Hub, Bohrung, Kompression, Auspuff, Kuppelung, Kühlung, Drehmoment, Reibungsverlust, Beharrlichkeitsgesetz, Fliehkraft, Schwerpunkt, Kräfteausgleich usw., bis er seine ganze Umgebung zur wilden Flucht gebracht hat.
Den Maschinenprotz trifft beim Reparieren der Schlag, oder er endigt inmitten seiner Opfer in einer Nervenheilanstalt.
Als letzte Kategorie dürfte noch zu nennen sein: Der Fachprotz (Bramarbas pro domo). Er ist ein Geschäftsmann, und entweder Angestellter oder Vertreter einer Fabrik. Er protzt mit den Erzeugnissen seiner Firma, wie der Universalprotz mit seinem Gelde. Es gibt nichts besseres, als das Fabrikat, das er vertritt, und um dies zu beweisen, jagt er als sicherer Fahrer mit eingeladenen Gästen über Stock und Stein, denn die Reparaturen und Pneumatiks kosten ihm ja nichts. Bauern, die nicht schleunigst ausweichen, schreit er an, dagegen verkriecht er sich gerne in ihre Höfe und Scheunen, wenn das geringste an seinem Wagen nicht in Ordnung ist; kein Konkurrent soll ihn bei der Reparatur ertappen. Übrigens schiebt er bei vorkommender Stockung stets die Schuld auf die Pneumatiks und räsonniert, weil sie nicht ewig aushalten. Im Vorfahren gleicht er dem Schnelligkeitsprotz. Bei der Unterhaltung gilt das zweite Wort der Vorzüglichkeit der von ihm vertretenen Marke. Er verkauft „täglich 1—2 Wagen“ bis zu dem Zeitpunkt, wo er sich mit seiner Fabrik überwirft. Alsdann ist eine andere Marke die beste, die bisher gelobte hat sich „nicht bewährt“ und er ist froh, daß er „fast nichts“ verkauft hat.
Der Fachprotz trägt die Abzeichen von sämtlichen Clubs, denen er angehört, an Rock, Mütze und Wagen. Weiß er keinen Club mehr, dem er noch beitreten könnte, dann gründet er einen neuen. Er gibt sich als der aristokratischste der Aristokraten, trinkt nur Sekt, und trägt bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit Frack und tief ausgeschnittene Weste. Er sieht verächtlich auf alle nicht automobilfahrenden Menschenkinder herab, noch verächtlicher aber auf diejenigen, die zwar automobilfahren, aber eine andere Marke als die von ihm vertretene bevorzugen. Bei Banketten mischt er sich unter die Haute volée und sucht zu imponieren. Nach der dritten „Pulle“ kommt er jedoch wieder aufs Geschäft und ereifert sich entsprechend dem Anwachsen der Flaschenbatterie vor ihm. Andern Tags schläft er seinen Kater aus. Er stirbt am Ärger über die Konkurrenz.
Die meisten Automobilprotzen werden sich unter eine der vorstehend beschriebenen Kategorien einreihen lassen. Sollten sich aber Exemplare finden, die sich durch spezielle Kennzeichen noch besonders hervortun, dürfte vielleicht gelegentlich ein Nachtrag folgen.
Das muß anders werden! (1906)
Der brave Bürger soll nicht mehr durch Huppen und Motorgeräusch aus seiner Ruhe geschreckt,
der öffentliche Handel darf nicht mehr beunruhigt werden,
der biedere Landmann soll wieder seine gewohnte Bewegungsfreiheit genießen,
die liebe Jugend muß sich wieder ungefährdet ihren gesunden Spielen hingeben können,