Die Freiherrn von Eichthal
und ihre Brüder und SchwesternDie Freiherrn von Eichthal stehen hier stellvertretend für ihre jüdischen Mitmenschen, von deren Können und Arbeit man profitierte, die man auch schätzte, wenn man sie persönlich kannte, aber über die man sich trotzdem lustig machte. Sprache, Körperbau und Physiognomie waren die Hauptangriffsziele des Spotts.
Radfahrer (auf schmaler Straße hinter einem Gefährt vorrufend): „Achtung! Ich möchte vorfahren!“
Neugeadelter Kommerzienrat Kohn: „Gedulden Se sich, junger Mann, Se können noch werden Baron auch ohne Vorfahren!“
Es ist nicht anzunehmen, dass Emil Kneiß bei dieser Karikatur auf die Erhebung einer jüdischen Familie in den Adelsstand anspielte, die am 22. September 1814 in München stattgefunden hatte. Die betroffene Familie war die eines Aron Elias Seligmann mit seinen Kindern und Kindeskindern.
Aron Seligmann, (*1747 in Leimen, † 1824 in München) war schon der Hofbankier von Kurfürst Carl Theodor; als Max IV. Joseph (später König Max I.) ihm nachfolgte, fand er nichts als leere Kassen vor und holte darum Aron Seligmann nach München, der dann das Königreich Bayern vor dem Ruin rettete. Zum Dank wurde er am 22. September 1814 in den Adelsstand zum Freiherrn von Eichthal erhoben.
Simon Seligmann (* 1787 in Leimen; † 1854 in München) war der jüngste Sohn von Aron Seligmann; er wirkte im Sinne seines Vaters als Mitbegründer und erster Direktor der „Bayerischen Hypotheken und Wechselbank“. An Griechenland, wo gerade Otto, der Sohn Ludwigs I., zum König bestimmt worden war, vermittelte er eine Staatsanleihe von 60 Millionen Franken.
In München erwarb er den sogenannten Eichthal-Anger (das spätere Gärtnerplatz-Viertel) und legte bereits 1830 der Stadt einen Bebauungsplan vor, der aber in den Schubladen verschwand.
Carl Seligmann, (* 1813 in München, † 1880 in München) wurde 1814 zusammen mit Großvater und Vater in den Adelsstand erhoben und darum fortan als Baron von Eichthal tituliert; 1830 absolvierte er das Wilhelmsgymnasium. Er übernahm zunächst das Bankgeschäft der Familie, trennte sich aber 1858 davon und widmete sich lieber der Urbanisierung seines Immobilienbesitzes: des Eichthal-Angers (später Gärtnerplatz-Viertel) und des Gebietes beim Bahnhof Haidhausen (später Franzosenviertel). Sein Plan für den Eichthal-Anger von 1860 wurde realisiert; das erbrachte in der Folge die Gründung des „Münchener Actien-Volks-Theaters„, an dem der Vater von Emil Kneiß für viele Jahre tätig war.
Der Ausspruch: „I no, is auch e Kind!“ hätte von Aron Seligmann stammen können, der fünf Söhne und fünf Töchter hatte. Drei der letzteren heirateten wiederum Hoffaktoren in Mannheim, Hannover und Prag; eine vierte wurde durch Heirat eines Hoffaktoren anschließend zu einer Edlen von Weling.
Die Töchter solcher reichen Bankiers wurden nicht zuletzt wegen ihrer Mitgift von heiratslustigen Herren geschätzt; allerdings waren sie auch schon einen gehobenen Lebenstil gewöhnt.
Da reiche Juden gerne zu Pferde saßen, folgerte man, dass sie entsprechend deformierte Füße haben müssten.
Hochradfahrer und wohl auch Reiter wurden bei plötzlich auftauchenden Hindernissen des öftern zum unsanften Abstieg gezwungen.
In jüdischen Familien hatten Kinder ein größeren Stellenwert als in „christlichen“. Väter waren in gleichem Maße wie die Mütter besorgt.