Wuz, das Schwein
Liebeslust und Leid
Nun geht es mit Wuz zu Ende. Vorher verliebt er sich aber noch in eine Donna, bevor er dann den Weg aller Schweine gehen muss: den Gang zum Metzger (Fleischer).
(D)ie Liebe wirkt, soviel ist klar,
Auf Mensch und Vieh gar wunderbar,
Und seit dem ersten Stelldichein,
Ward Wuz auch ein ganz and’res Schwein.
Nicht daß er etwa lieberglüht,
Sich um sein Aeuß’res mehr bemüht,
Wie dies oft junge Leute thun,
Wenn sie in Amor’s Fesseln ruh’n,
Nein das fiel ihm im Traum nicht ein,
Er war und blieb darin ein Schwein.
Doch anderseits, wie zum Exempel
Im Fressen, war der Liebe Stempel
Und was die Seele ihm entzückt,
Jetzt seinem Dasein aufgedrückt.
Vertilgt er sonst mit Haut und Haar
Nur das, was noch verdaulich war,
So schlang er nun ohn‘ jede Wahl,
Des Tag’s wohl ein halbdutzendmal,
Bald ein Stück Lehm, bald einen Stein,
Wie träumerisch in sich hinein –
Wohl ein Beweis, daß ganz und gar
Bei Ihr nur all sein Denken war.
Sein Grunzen, früher rauher Art,
Klang jetzt mit einmal weich und zart,
Wodurch sich zweifellos bewährt,
Daß Liebe selbst die Kehlen klärt
Und deshalb Baß und Tenorist
Auf’s Wärmste zu empfehlen ist.
Doch brachte seine Minnezeit
Dem guten Wuz auch manches Leid.
Denn da zu ihr er täglich kam
Und Theil an ihrer Mahlzeit nahm,
Wie dies aus Lieb‘ und Sparsamkeit
Verliebte thaten jederzeit,
So fand ihr Herr, Hans Jochem Kehm,
Die Sache etwas unbequem
Und jagte – man kennt solches schon –
Aus seinem Haus den Seladon,
Indem er ihm mit einem Keil
Vermöbelte sein Hintertheil.
Seladon ist eine frühere Bezeichnung für einen schmachtenden Liebhaber (17. bis 19. Jahrhundert, „zärtlich wie Seladon“), nach dem Helden des Romans L’Astrée (1610) von Honoré d’Urfé.
Doch weil die Liebe, wie bekannt,
Allzeit selbst Keile überwand,
So half auch diese heft’ge Kur
Bei Wuz für wenig Tage nur;
Dann trieb des Herzens süße Pein
Ihn nach wie vor zum Stelldichein
Bis Jochem Kehm, den dies verdroß,
Zum letzten Mittel sich entschloß,
Und Wuzens Maid, der Sache satt,
Zum Fleischer schleppte in die Stadt,
Der ungerührt von ihrem Schmerz –
Hat denn ein Fleischer jemals Herz? –
Ein rohes Grinsen im Gesicht
Sie untersuchte auf’s Gewicht,
Und da er wohlbeleibt sie fand,
Für 30 Thaler baar erstand,
Die Jochem stillvergnügt empfing,
Drei Schnäpse trank und heimwärts ging.
O, wie ist der Trennungsschmerz
Für ein treulich liebend Herz
Doch so hart, und Wuz auch fühlte,
wie er ihm im Busen wühlte,
Als man roh und ungenirt
Die Geliebte ihm entführt,
Und beim nächsten Stelldichein
Solo er in seiner Pein.
Kläglich grunzend lief im Trab
Er des Weges auf und ab,
Schnuppernd, scharrend, liebekrank,
Harrend bis die Sonne sank.
Sieh, da schwankte Kehm, der böse,
Durch das Dorf mit roter Näse,
Denn er hatte, unverdrossen,
Mehr der Schnäpse nachgegossen
Und war, wie man sagt, ganz toll,
Hagelsterngranatenvoll.
Ha, wie er so höhnisch nickte,
Als von fern er Wuz erblickte,
Und er lallte: „Siehste, nu
Hett de arme Seele Ruh!
Nach de Stadt loop man, adjü,
Un grüß dort din Sau von mi!“
Als auf diese Weise nun
Er verrieth sein schnödes Thun
Wurde Wuz mit einmal klar,
Wo sein Lieb zu finden war,
Und er brach in schnellem Lauf
In der Nacht zur Stadt noch auf,
Während Kehm den Letzten trank
Und dann auf den Strohsack sank.
[Es] stand am Thor vor’m Schilderhaus
Der Stadtsoldat und schlief sich aus,
Dieweil in seiner strengen Hut
Das Wohl und Weh der Bürger ruht.
Da plötzlich kriegt – sein Schreck ist groß –
Er vor den Bauch ’nen mächt’gen Stoß,
Das Mordgewehr in seiner Hand
Rollt holterpolter in den Sand,
Indeß er selbst vom Schlaf erweckt,
Die Beine hoch gen Himmel streckt.
„Ein Geist, Ein Geist!“ so ruft er aus,
Und kroch entsetzt ins Schilderhaus,
Wo er, das Antlitz an der Wand,
Mit klappernden Gebeinen stand.
Doch Wuz, denn daß der Geist er war,
Der dies verübt, ist jedem klar,
Lief nun in seiner Liebespein
In voller Hast zur Stadt hinein,
Wo er indeß bald rathlos stand,
Da Weg und Steg ihm unbekannt.
Da plötzlich, aus ’nem Hof hervor,
Traf ein bekannter Ton sein Ohr –
Ein Trost in seinem Sehnsuchtsdrang –
Da er wie fernes Grunzen klang;
Und hoffnungsfreudig stürzte Wuz
Ins nächste Haus voll frischen Muths,
Wo sich – da alsbald auf dem Flur
Ein Weib entdeckte seine Spur –
Erhub ein mörderisches Schrein:
„Ei waih geschrie’n! E Schwain, e Schwain!“
Er hatte zur Bewohner Graus,
Verirrt sich in ein koscher Haus,
Wo Vater, Söhne, Frau und Knecht,
Sofort gerüstet zum Gefecht,
Mit Knitteln, Besen, hänf’nen Schlingen,
Dem armen Wuz zu Leibe gingen,
Und wüthend ihm von allen Seiten
Das Fell gar jämmerlich zerbläuten.
Der Wächter draußen spitzt das Ohr:
Wat geit da drin bi Meyers vor?
Und wie er lauscht, geruchsam rauchend,
Stürzt aus der Thüre heftig fauchend,
Ganz unverhofft – man denke blos! –
Ein dunkles Unthier auf ihn los.
Perdauz! lag er schon in der Rinnen,
Das Unthier aber saust von hinnen.
.
Der Schneider Zipp, der Schuster Menke,
Sie kamen eben aus der Schenke,
Wo sie bis längst nach Mitternacht
Bei Spiel und Schnaps die Zeit verbracht,
Als Wuz, der heftig Reißaus nahm,
Zu Angesicht den Beiden kam,
Die gleich in ihres Rausches Drang
Sich freuten über solchen Fang,
Und bei der Lampen mattem Schein
Jagd machten auf das fette Schwein.
Nun tauchte auch in raschem Lauf
Der schwergekränkte Wächter auf,
Vom nahen Thor kommt der Soldat,
der endlich sich ermannen that,
Und als Succurs, wie sich’s gebührte,
Sechs andre Tapf’re mit sich führte.
Sie Alle rannten – kreuz und quer –
Wuthschnaubend hinter Wuz einher,
Den sie mit Püffen, Stößen, Hieben,
Die Gassen auf- und abwärts trieben,
.
Bis endlich er im ärgsten Drang
Der Noth durch eine Scheibe sprang,
Die just das Haus des Fleischers zierte,
Der seine Liebste acquirirte,
Und wo, an Leib und Seele krank,
Er glasgespickt zu Boden sank.
.
Nun aber, weinend bitterlich,
Verhüllt das Haupt der Dichter sich,
Da seines Sanges letzten Schluß
Er jetzo trauernd singen muß –
Vermelden muß, wie treues Lieben
Den Helden in den Tod getrieben.
.
Denn ach, als dieser wehrlos jetzt,
Vom wilden Jagen abgehetzt,
Noch einmal – wer verdenkt‘ ihm dies –
Den Feinden seine Zähne wies,
Daß diese ängstlich retirirten
Und sich nach rückwärts concentrirten,
Da hob – zu singen fällt mir’s schwer –
Der Stadtsoldat sein Mordgewehr
Und traf in schnöder Rachegluth
Das Schwein mit einem Schuß so gut,
Daß es sich nur noch einmal reckte
Und dann die Viere von sich streckte.
.
Und also starb, (man sage nie
Es hab ein Schwein nicht Poesie)
Für seine Liebe, treu und rein,
Der arme Wuz, das gute Schwein.
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Doch in demselben Augenblick –
O, welch ein rührendes Geschick –
Stach hinten in dem Hofe auch
Der Fleischersknecht nach altem Brauch
Die Schweinedonna grausam ab,
So daß sie sich in einem Grab,
Und ledig aller Erdenbanden,
Vereinigt im Wurstkessel fanden,
Aus dem, (lies im Kapitel I,
Die Gaben all des edlen Schweins)
Sie auferstanden schon am Abend,
Als Wurst und Eisbein alle labend,
Daß selbst gerührt der Stadtsergeant
Ein Wort der Anerkennung fand,
Und auch der Wächter stimmte ein:
„Ik segg, ’s war doch en gutes Swein!“
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